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Im ATLANTIS-VERLAG erschienen:

Aktualisiert und wieder aufgelegt, diesmal mit ISBN und somit in jeder Buchhandlung erhältlich!

Titelbild: Emmanuel Henné

 

ISBN 3-936742-38-3

Preis: 8,90 €

Rezension zu CyberJunk von 1997 (damals noch unter dem Titel "Nekrotic" bei Goblin Press erschienen):

Mit NEKROTIC legte die GOBLIN PRESS erneut eine liebevoll aufgemachte Pappschuberedition vor, die es in sich hat. Stefan Pinternagel gehört sicher nicht zu den populären Autoren, doch würde ich ihn schon ein wenig als "Geheimtip" bezeichnen wollen. Auf alle Fälle gehört er zur Gilde der "Neuentdeckungen 1996" auf dem weiten Gebiet der deutschsprachigen Phantastik, von denen in Zukunft noch so einiges zu erwarten ist. Neben einer Story in KOPFGEBURTEN (die aber auch hier abgedruckt wurde) ist mir bis dato nichts weiter bekannt.
NEKROTIC ist zweigeteilt, den Hauptteil macht der Roman "Im Netz. Schließen Sie sich an!" aus; quasi als Beilage bekommt man noch das dünne Heftchen mit Kurzgeschichten mitgeliefert. Dieses ist die Anschaffung sicher nicht wert, gibt aber Einblick in das Schaffen des Autors.
Der Hammer ist allerdings der Roman! Der Herausgeber ist gar der Meinung, dies wäre zu schade für das Verlegen in der Smallpress der GOBLIN PRESS. Nun, darüber kann man sicher geteilter Ansicht sein, auf alle Fälle war ich sehr froh, daß ich diesen Roman hier lesen konnte. Allerdings fällt er durchaus aus dem Rahmen der GOBLIN PRESS. Es handelt sich um einen astreinen SF-Roman, also um keine Dark Fantasy a lá Poe & Lovecraft, wie bei GP zu erwarten wäre. Selbstverständlich darf man nun aber keine positive Utopie und Strahlemann-SF aus dem ST-Universum erwarten. "Im Netz" steht da schon eher in der Tradition von "Bladerunner" und des Cyberpunks; vielleicht sogar in der Tradition der schwarzen SF-Comicwelten eines Bilal etwa.
Der Leser wird entführt in eine nahe Zukunft, in der er die Welt in einem Maße umgestaltet findet, wie es aus heutigen Entwicklungen durchaus möglich erscheint. Schauplatz des Geschehens ist Moskau. Rußland ist die Weltmacht Nummer 1, quasi aus dem Verfall der übrigen Welt auferstanden wie Phönix aus der Asche. Moskau ist keine gleißende Zukunftsmetropole, aber das Leben in dieser Stadt ist auf alle Fälle für Europäer, Afrikaner und Amis um ein Vielfaches attraktiver als in ihrer jeweiligen Heimat. Die heutigen Großmächte sind zerfallende Rudimente ihrer einstigen Größe. Innovationen gehen noch von Afrika und Asien aus, deren Lebensstile schwappen auf Europa und die GUS über.
Wie der Titel vermuten läßt, spielt die Allgegenwart der Computernetze eine gewichtige Rolle. Es wurde staatlicherseits als psychologisches Macht- und Überwachungsinstrument ausgebaut.
Der Held unserer Geschichte ist ein Vertreter dieser Netzfirma, die dafür Sorge tragen soll, daß sich die gesamte Bevölkerung die entsprechenden Adapter zulegt. Polizeitechnisch hat dies den großen Vorteil, daß regelmäßig die Gehirn der Angeschlossenen abgetastet werden und somit kein Verbrechen unaufgedeckt bleiben würde. Dies ist sicher ein enormer Fortschritt bei der Verbrechensbekämpfung, daher werden auch alle Anstrengungen unternommen, um eine 100%ige Flächendeckung zu erreichen.
Besagter Held ist ein Zugewanderter, ein Deutscher, der dem Elend seiner Heimat entfloh, um in Moskau sein Glück zu machen. Er hat sogar vergleichsweise viel Glück, hat seinen Job, eine Wohnung, einen Netzanschluß und nun auch einen russischen Namen: Andrej.
Neben einer Liebesgeschichte wird auch ein Krimi erzählt. Andrej hat die Gelegenheit, unzensierte Netzeinspeisungen zu genießen. Man muß dazu wissen, daß im Netz - gegen Gebühr - Erlebnisse abgerufen werden können, auch krimineller und perverser Art, doch sind die immer modifiziert, und zwar dermaßen, daß dem Konsumenten Schuldgefühle entstehen, so daß man keine Gelegenheit hat, sich mit den Tätern zu identifizieren. Drei Fliegen mit einer Klappe werden geschlagen: Aggressivität kann abgebaut werden, wobei der erzieherische Effekt nicht zu kurz kommt und Geld kann man damit auch machen. Nunmehr kann Andrej also ungeschnittene Erlebnisse von Kriminellen in sich aufnehmen. Wie das endet, brauch' ich hier bestimmt nicht anzudeuten...
Stefan Pinternagel ist sicher kein fertiger Autor; ich hätte mir mitunter weniger Didaktik, dafür mehr Arbeit am Plot gewünscht, doch die sprachliche Meisterung, die teilweise wundervollen Formulierungen und der absolut stark ausgebaute Hintergrund (Politik, Medien etc.) sind eine Messe! Natürlich ist es auch sehr interessant, mal keine anglo-amerikanische Szenerie geboten zu bekommen. Diese heute schon in Rußland spürbare Mischung aus hoheitsstaatlichem Postsozialismus und einer erneuten ursprünglichen Akkumulation des Kapitals in seinen archaischsten Formen trifft der Autor auf den Punkt. So weit ich dies nachvollziehen kann, sind die fremdsprachlichen (russischen) Einschübe richtig.

Fazit: Unbedingte Leseempfehlung.

 

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